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Armut in Halle: Warmes Essen als kleines Glück

HK Artikel vom 31.03.2023

Sebastian Plath hat den Mittagstisch gegründet, der mittlerweile ein Treffpunkt für 120 Menschen ist, die durch das übliche gesellschaftliche Raster fallen. Angefangen hat er in einem Bushäuschen.

Halle (upo). „Als ich im September 2009 nach Halle kam, hat mir die Kirchengemeinde viele Freiheiten gegeben“, erinnert sich Sebastian Plath. Der Gemeindepädagoge berichtete im Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Generationen über die Entwicklung des von ihm organisierten Mittagstisches und darüber, dass auch in einer Kleinstadt nicht alles eitel Sonnenschein ist.

Niemand blieb an der Haltestelle

„Ich fragte damals im Rathaus, worum man sich kümmern könnte“, erinnert sich Plath. Da er von dort keine Ideen bekam, entschloss er sich, einfach mal zum Bahnhof zu gehen, um mit den Menschen zu reden, die dort im Bushäuschen waren. „Ich habe mich reingesetzt, und alle haben zugehört. Bis auf eine Person, die war zu betrunken“, sagt Plath.In der Folge kam er jeden Donnerstag vorbei, nach ein paar Wochen war das Eis gebrochen. „Die Menschen haben mir erzählt, was los ist“, sagt Plath. Sie berichteten von ihren Sorgen, von Sucht, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit. Und es fühlte sich gut für sie an, dass ihnen endlich mal wieder jemand zuhört. „Im Sommer 2010 zogen wir dann ins Martin-Luther-Haus um“, erinnert sich Plath. Dies war die Geburtsstunde des Mittagstischs, wie er in heutiger Form noch angeboten wird. „Zu den Stammgästen zählten 15 Personen. Alle waren aus dem Bushäuschen hierher gekommen. Hätte nur einer gefehlt, wäre ich zurück zum Bahnhof gegangen“, sagt Plath. Er wollte niemanden zurücklassen, auch wenn der Lauf der Dinge dies in der Zwischenzeit übernommen hat. „Heute leben nur noch zwei von ihnen, die anderen sind gestorben“, sagt Plath. Grundregel bei dem Treffen, das zunächst freitags und mittlerweile in 52 Wochen pro Jahr mittwochs von 11 bis 14 Uhr stattfindet, ist: Kein Alkohol und keine Zigaretten. Aktuell kämen 80 bis 120 Menschen pro Woche, um gemeinsam zu reden und um eine warme Mahlzeit zu erhalten. Um die Besucher kümmern sich 27 Ehrenamtliche, die mittwochs von 8 bis 15.30 Uhr mithelfen. „Es ist unglaublich, was Menschen von sich erzählen. Sie haben sonst keinen mehr, der ihnen zuhört“, sagt Plath. Er erlebt, wie Menschen die Kurve kriegen, einen Neuanfang wagen und ebenso, wie alte Bekannte wieder auftauchen, weil die Sucht stärker war oder das Schicksal die Wende zu einem besseren Leben versperrt hat. „Wir wollen einfach nur da sein, wir können keine schnelle Lösung liefern“, sagt Plath.

Bis zu 120 Menschen erhalten mittwochs im Martin-Luther-Haus eine warme Mahlzeit.

Eine Altersgruppe macht Plath Sorgen

„Auch in einer kleinen Stadt wie Halle gibt es dramatische Ereignisse und Armut“, sagt der Gemeindepädagoge. Sorge bereite ihm, dass aktuell viele junge Männer zwischen 20 und 25 Jahren zum Mittagstisch kommen. „Aber natürlich ist auch die Altersarmut ein großer Faktor“, sagt Plath. Der Großteil des Essens stammt aus der Mensa der Gesamtschule Halle, verschiedene Spenden von Firmen oder Gastronomen vervollständigen das Angebot. Das Projekt ist sowohl auf Lebensmittelspenden, die zu den üblichen Öffnungszeiten im Gemeindebüro abgegeben werden können, als auch auf Geldspenden angewiesen. „Wir schicken niemanden weg. Solange es die Räume zulassen und ausreichend Platz ist, ist jeder willkommen“, sagt Plath.